Über das Buch
Die friedliche Revolution in der DDR und der blutige Regimewechsel in Rumänien bilden die Gegenpole in der Geschichte des Umbruchs von 1989/90. Sie markieren – zwischen Kerzendemonstration und Massenerschießung – das politische Handlungsspektrum, in dem sich der Sturz der kommunistischen Diktaturen vollzog. Die Folgen für die gesellschaftlichen Umwandlungsprozesse waren schwerwiegend und prägen die Erinnerung an „1989“ bis heute. Vor diesem Hintergrund diskutiert der Beitrag von Peter Ulrich Weiß, Wunder der Gewaltlosigkeit? Die Revolutionen 1989/90 in der DDR und in Rumänien, die historischen Ursachen für die Gewaltabkehr bzw. die Gewalteskalation.
Der Aufsatz von Manfred Kittel, Vom Pragmatismus zur Moralpolitik – Siebzig Jahre „Vergangenheitsbewältigung“ in der Bundesrepublik Deutschland, misst „Erfolg“ oder „Misserfolg“ der Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus in der Bundesrepublik vor allem an deren Bedeutung für die politische Stabilität der zweiten deutschen Demokratie. Aus diesem Grunde herrschte anfänglich ein robuster Pragmatismus des wechselseitigen „Beschweigens“ (H. Lübbe) vor; das nur auf diesem Wege für erreichbar gehaltene Ziel demokratischer Stabilität stand allerdings von Anfang an in einem Spannungsverhältnis zu weitergehenden moralischen Erwartungen nicht nur auf Seiten der NS-Opfer. Die weitere Entwicklung war dann seit den 1980er-Jahren von einer zunehmenden Moralisierung geprägt.Wer nach der Stabilität der zweiten deutschen Demokratie fragt, muss über den Umgang mit den unmittelbaren Folgen der NS-Diktatur hinaus zudem mittelbare, im weiteren Sinne mentalitätsgeschichtliche Folgen dieser Vergangenheit für die großen Linien der Politik der Bundesrepublik bedenken.
Die Demokratie gilt besonders in Ostdeutschland als gefährdet. Viele Statistiken suggerieren, dass die Ostdeutschen nicht in der Demokratie angekommen seien. Der Artikel von Frank Bösch, „Sonderfall Ostdeutschland?“ Zum Demokratieverständnis in Ost und West, differenziert diese spektakulären Meldungen. So wird deutlich, dass in vielen Bereichen die Unterschiede zwischen Ost und West gering groß sind und es eine deutliche Annäherung bei der Demokratieakzeptanz gibt. Weniger akzeptiert ist etwa in Ostdeutschland nicht die Demokratie, sondern deren Umsetzung. Abschließend wird hinterfragt, wie aussagekräftig die Unterteilung in Ost und West ist.
Inhaltsübersicht
Zweimal 70 Jahre – Bundesrepublik und DDR
Peter Ulrich Weiß
Wunder der Gewaltlosigkeit?
Die Revolutionen 1989/90 in der DDR und in Rumänien
Frank Bösch
„Sonderfall Ostdeutschland?"
Zum Demokratieverständnis in Ost und West
Manfred Kittel
Vom Pragmatismus zur Moralpolitik.
Siebzig Jahre „Vergangenheitsbewältigung“ in der Bundesrepublik Deutschland
Impulse für den Geschichtsunterricht
Digitales Lehrwerk „Deutsch-deutsche Geschichte“
Frank-Walter Steinmeier
"Überall müssen Autorität und Tradition sich die Frage nach ihrer Rechtfertigung gefallen lassen."
Lübecker Willy-Brandt-Rede 2018 (Auszüge)
Geschichte vor Ort – außerschulische Lernorte und Projekte
Das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst
Ortstermine – Eine historische Ereigniskarte Europas
Berichte aus dem Bundesverband und den Landesverbänden des VGD
Zahlreiche Buchbesprechungen aus Fachwissenschaft und Fachdidaktik
Leitrezension
Im Sowjetsystem gefangen: Leonid Brežnev und Michail Gorbačev (von Stephan Merl)
Zu den Autoren
Prof. Dr. Frank Bösch
ist Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam und ord. Professor für deutsche und europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der deutschen Zeitgeschichte in internationaler Perspektive. Zuletzt erschien sein Buch: "Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann" (München 2019)
Prof. Dr. Manfred Kittel,
Jg. 1962, ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg. Aufsehen erregte seine gegen die Thesen von Ralph Giordano argumentierende Erlanger Dissertation „Die Legende von der ‚zweiten Schuld‘. Vergangenheitsbewältigung in der Ära Adenauer“ (Berlin/Frankfurt/M. 1993). Seither publizierte er u.a. „Nach Nürnberg und Tokio. ‚Vergangenheitsbewältigung‘ in Japan und Westdeutschland 1945 bis 1968“ (München 2004) sowie „Vertreibung der Vertriebenen? Der historische deutsche Osten in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik (1961–1982)“ (München 2007).
Dr. Peter Ulrich Weiß
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und Lehrbeauftragter am Institut für Geschichtswissenschaft der HU Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die Geschichte der kommunistischen Regime in der DDR und Rumäniens sowie die Transformationszeit nach 1989/90.