Über das Buch
Der Zusammenhang zwischen „Menschenrechten und Revolutionen“ steht auf der politischen Tagesordnung: In jüngster Zeit wurden wir Zeugen von Massenprotesten, Aufständen, Rebellionen und Revolutionen in der Ukraine, in Tunesien, Ägypten, Libyen oder Syrien, in denen der Bezug auf Menschenrechte mitunter eine zentrale, manchmal eine eher nebensächliche und – erstaunlich genug – gelegentlich auch gar keine Rolle spielte. In diesem Heft analysieren renommierte Autorinnen und Autoren verschiedenste menschenrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit jüngeren und länger zurückliegenden Revolutionen.
James Ingram wendet sich zunächst aus Sicht der Politischen Philosophie den historischen „Wurzeln“ der Menschenrechte zu, die gemeinhin in den Revolutionen des 18. Jahrhunderts verortet werden. Jeanette Ehrmann kritisiert in ihrem Beitrag das akademisch gängige Bemühen, die Geschichte der Menschenrechte, ausgehend von der Amerikanischen und der Französischen Revolution, als einen linearen moralischen Fortschritt, bewirkt durch Europa und Nordamerika, zu präsentieren. Sie will dieses geläufige Narrativ der Menschenrechte korrigieren, indem sie die „verschwiegene“ Haitianische Revolution als wichtigen Bestandteil einer übergreifenden atlantischen Verfassungsrevolution ernst nimmt und damit ebenso als ein wirkmächtiges Gründungsmoment der politischen Moderne rekonstruiert.
Mareike Krajewski geht der Frage nach, inwiefern sich am Beispiel „revolutionären Handelns“ ein grundlegendes Problem zeigt, das im Grunde jedes politische Handelns betrifft: die Frage, wie revolutionäres Handeln in langlebigere Institutionen umgesetzt werden kann, ohne die ursprünglichen Ideen zu verraten. Nabila Abbas untersucht die Rolle, welche der politische Bezug auf Menschenrechte im Rahmen der tunesischen Revolution 2010/2011 gespielt hat, und Georg Lohmann stellt in seinem programmatischen Text die Frage, ob die Verwirklichung der sozialen Menschenrechte eine Revolution und/oder Reformen erfordern würde.
Inhaltsübersicht
Menschenrechte und Revolution
James D. Ingram: The Revolutionary Origins of Human Rights: History, Politics, Practice
Jeanette Ehrmann: Konstitution der Rassismuskritik. Haiti und die Revolution der Menschenrechte
Nabila Abbas: Arbeit, Freiheit und Würde! Chorl, hurriya, karâma wataniya! Menschenrechtsimaginationen der tunesischen Revolution
Mareike Kajewski: Revolution als Erfahrung und die Aufgabe revolutionären Handeln
Georg Lohmann: Soziale Menschenrechte und Revolution. Eine programmatische Skizze
Hintergrund
Tanja Hitzel-Cassagnes, Franziska Martinsen: Makrokriminalität und sexualisierte Gewalt: Eine gendertheoretische Betrachtung von Wiedergutmachungspraktiken
Jessica Mosbahi: Vom Schattendasein einer Sicherheitsresolution. Die Umsetzung der VN-Resolution 1325 am Beispiel Afghansitan
Forum
Dokumente der Repression, Vermächtnis der friedlichen Revolution.
Ein Gespräch mit Roland Jahn
Tour d’Horizon
Michael Krennerich: Zivilgesellschaft unter Druck
Buchbesprechungen
Zu den Autoren
Nabila Abbas
ist Doktorandin an der Université de Paris 8 (Vincennes-Saint-Denis) und an der RWTH Aachen, wo sie zudem als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist.
Jeanette Ehrmann
ist Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt/M. sowie Fellow am Forschungsinstitut für Philosophie Hannover.
Tanja Hitzel-Cassagnes
ist Privatdozentin Dr. phil. an der Leibniz Universität Hannover für Politische Theorie und Ideengeschichte.
James D. Ingram
unterrichtet Political Theory at McMaster University in Hamilton Canada.
Mareike Kajewski
ist Stipendiatin der Heinrich Böll-Stiftung und promoviert am Institut für Philosophie der Goethe-Universität Frankfurt/M.
Michael Krennerich
ist Privatdozent am Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschrechtspolitik der Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzender des Nürnberger
Menschenrechtszentrums.
Georg Lohmann
ist Professor für Praktische Philosophie (em.) an der Universität Magdeburg.
Franziska Martinsen,
Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leibniz Universität Hannover für Politische Theorie und Ideengeschichte.
Jessica Mosbahi
LL.M (Kapstadt), ist Referentin für Menschenrechte und Politik bei der Frauenrechtsorganisation medica mondiale e.V.