Über das Buch
Computerspiele mit historischem Hintergrund werden immer beliebter und haben prägenden Einfluss auf die Vergangenheitsvorstellungen Jugendlicher und junger Erwachsener. Am Beispiel des Dokumentarmodus des im Alten Ägypten spielenden „Assassin’s Creed: Origins“ untersucht Mathias Herrmann mit fachwissenschaftlichem und fachdidaktischem Blick, welches Potential das Medium Computerspiel für den Geschichtsunterricht hat.
Die geschichtskulturelle Abhandlung von Manuel Köster untersucht am Beispiel des Hermannsmythos die politische Instrumentalisierung einer „empirisch nicht triftigen Narration“ (J. Rüsen) im „langen 19. Jahrhundert.“ Dabei werden die Verwendung des Mythos und seine Veränderungen unter wechselnden politischen Vorzeichen zur antinapoleonischen, antifranzösischen, antikatholischen oder völkischen Agitation dargestellt. Der diachrone Vergleich verschiedener Quellengattungen zeigt dann das heuristische Potential für die Analyse des gesellschaftlichen Umgangs mit Geschichte auf.
Anhand zweier neuer Großsynthesen erörtert Herfried Münkler in seinem Aufsatz grundlegende Fragen einer modernen Geschichte des Krieges. Eine mögliche Perspektive privilegiert die Frage, wie Kriege gehegt, wenn möglich verhindert werden können. Wer die Geschichte Europas vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis 1990 so erzählt, muss freilich manches ausblenden, etwa die Verlagerung exzessiver Gewalt an die (z.T. koloniale) Peripherie. Welchen Wert das Lernen der Europäer für Gegenwart und Zukunft in einer globalisierten Welt haben kann, muss zweifelhaft bleiben. Zu diskutieren ist ferner die Annahme, zeitweilige Konjunkturen des Krieges hätten die europäische Entwicklung in Richtung auf Fortschritt beschleunigt. Dem gegenüber steht eine ‚kältere‘, analytischere Sicht, die sich nicht auf die europäische Neuzeit beschränkt, sondern generell den Wandel des Krieges in Abhängigkeit von der Naturbeherrschung des Menschen studiert. Dieser sozio-ökonomische bzw. -ökologische Zugriff, der als Leitstruktur die Trias von Wildbeuter-, Agrar- und Industriegesellschaft zugrunde legt, kann langfristige Prozesse erhellen und zu einer universalgeschichtlichen Typologie des Krieges gelangen. Freilich ist diese Perspektive nicht leicht durchzuhalten, zumal wenn es die beiden großen Kriege des 20. Jahrhunderts zu erklären gilt.
Der Beitrag von Jörn Rüsen zielt darauf, die strikte Opposition von „Standardisierung oder Pluralisierung“ durch eine „Standardisierung der Pluralisierung“ zu ersetzen. Ausgehend von Art. 1 GG gibt die Menschenwürde als universelle Norm dem Geschichtsunterricht eine kulturdifferenzübergreifende anthropologische Grundlage und Ausrichtung. Empirisch weitet diese Norm den historischen Blick auf die Menschheit und ihre vielfältige Ausprägung der Lebensformen in Raum und Zeit. Dabei bezieht sich unser kulturell verpflichtendes Verständnis der Menschenwürde auf den individualisierten einzelnen Menschen als Person; es schließt Anerkennung wie Kritik ein. Die auch geschichtsdidaktisch relevante Frage nach der deutschen Identität widerspricht dem nicht, wenn diese durch eine ausgeprägte Offenheit gegenüber Strittigkeit und Zukunft sowie einen inneren Bezug auf eine transnationale Menschheit definiert wird. Die Geschichtsdidaktik hat nur dann die Chance, einer Fremdenfeindlichkeit entgegenzuwirken, wenn sie die (deutsche) Nation angemessen thematisiert.
Inhaltsübersicht
Aspekte der Geschichtskultur
Mathias Herrmann, Franziska Luppa
Vom Spiel zum virtuellen Museum?
Der „Dokumentarmodus“ von „Assassin’s Creed: Origins“ aus geschichtsdidaktischer Perspektive
Herfried Münkler
Zerstörung – Hegung – Fortschritt
Zwei Großsynthesen zum Krieg in der Geschichte
Manuel Köster
Der Hermannsmythos
Die politische Dimension der Geschichtskultur im 19. Jahrhundert
Jörn Rüsen
Zwischen Relativismus und Leitkultur – Perspektivenvielfalt als Herausforderung für Historik und Didaktik
Impulse für den Geschichtsunterricht
Alexander Hoffelner
Creative Power durch Improvisation im Unterricht
Improvisationsspiele und ihr Potenzial für einen zeitgemäßen historisch-politischen Unterricht
Szene
ZDF-Dokumentation „Ein Tag in Auschwitz im Mai 1944“
Geschichte vor Ort – außerschulische Lernorte und Projekte
„Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz“ in Mainz als außerschulischer Lernort
Berichte aus dem Bundesverband und den Landesverbänden des VGD
Zahlreiche Buchbesprechungen aus Fachwissenschaft und Fachdidaktik
Leitrezension
Italien und Deutschland – Seit an Seit auf dem Weg in die Moderne? (von Vito Gironda)
Zu den Autoren
Mathias Herrmann
studierte von 2008-2016 Lehramt Oberschule für die Fächer Deutsch und Geschichte an der Technischen Universität Dresden. Seit 2017 arbeitet er an der Professur Antike und Europa der Technischen Universität Chemnitz im Rahmen eines Landesinnovationspromotionsstipendiums (ESF) an einer Dissertation zum Thema Antike und Antikerezeption in sächsischen Museen.
Alexander Hoffelner
Mag., BA, Institut für LehrerInnenbildung, Universität Wien, Universitätsassistent - Arbeitsbereich Bildungswissenschaften. Forschungsschwerpunkte: Improvisation und Unterricht, Theaterpädagogik, Politische Bildung. Lehramtsstudium Geographie und Wirtschaftskunde/Geschichte und Politische Bildung und BA-Studium Geschichte - Universität Wien und Swansea University (UK); Lehrer für Gesellschafts-/künstlerische Fächer; freischaffender Theaterpädagoge; Lektor in der Lehrer*innenfortbildung an den Pädagogischen Hochschulen; Schauspieler und Sprecher.
Dr. Manuel Köster
ist seit 2014 Akademischer Rat bzw. Oberrat an der Universität zu Köln. Zuvor war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Westfälischen Wilhelms- Universität in Münster, wo er auch promoviert wurde. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Sprache und Geschichte; geschichtsdidaktische Lehr-Lern- Forschung; Unterrichtsforschung; Aufgabenkultur; Geschichtskultur. Aktuell vertritt er die Professur für Didaktik der Geschichte an der Universität Osnabrück.
Franziska Luppa
studierte von 2010 bis 2016 Geschichte und Germanistik an der Technischen Universität Dresden, wo sie seit 2016 an einer Promotion im Fach Alte Geschichte über das Leben der ansässigen Fremden im klassischen Athen arbeitet.
Herfried Münkler,
emeritierter Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität Berlin, ist einer der profiliertesten öffentlichen Intellektuellen Deutschlands.
Jörn Rüsen
Jg. 1938, hatte Professuren für Neuere Geschichte und Fachdidaktik bzw. Geschichtstheorie an den Universitäten Bochum und Bielefeld inne und war Präsident des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen.